„Ich bin selbst schuld“

Was tun beim Verdacht auf Kindesmisshandlung?

Kindesmisshandlung, sexueller Missbrauch und auch Vernachlässigung sind gravierende Formen von Kindeswohlgefährdung. Laut Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik gab es im Jahr 2017 in Deutschland mehr als 3.500 Fälle von Kindesmisshandlung, die strafrechtlich zur Anzeige gebracht wurden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Dunkelziffer entsprechender Straftaten, die nicht angezeigt wurden, deutlich größer ist, auch vor dem Hintergrund, weil die Taten zum großen Teil im häuslichen Umfeld geschehen und Opfer häufig Kleinkinder oder sogar Säuglinge sind, die im Falle von Misshandlungen noch nicht adäquat auf sich aufmerksam machen können.

Verschiedene Formen von Missbrauch

Kindesmisshandlung ist ein Thema, das in Deutschland nach wie vor stark tabuisiert ist. Doch trotz dieser Tabuisierung lässt sich nicht beschönigen, dass Misshandlung von Kindern nach wie vor stattfindet, ob dies nun in Form von körperlichem oder emotionalem Missbrauch, sexuellem Missbrauch oder Vernachlässigung stattfindet.

Wo fängt Missbrauch an?

Laut Paragraph 1631 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) hat jedes Kind in Deutschland „ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“

Dieser Paragraf wurde durch eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2000 noch einmal zusätzlich untermauert, indem grundsätzlich jede Art von körperlicher Strafe gesetzlich als Misshandlung angesehen wird. So zählt ein „Klaps auf den Hintern“ ebenso zu körperlichem Missbrauch wie eine Ohrfeige.

Kindesmisshandlungen erkennen

Da Misshandlungen häufig im familiären Umfeld auftreten, sind Kinder im Falle von Misshandlungen in ganz besonderem Maße auf Hilfe von außen angewiesen, da die Schutzfunktion Familie entfällt. Doch woran lassen sich Misshandlungen bei Kindern erkennen und wo lässt sich Hilfe erhalten?

Was tun bei Verdacht auf Kindesmisshandlung?

Wegschauen ist beim Verdacht auf körperliche oder seelische Misshandlungen eines Kindes niemals die richtige Option. Kinder brauchen im Falle von Misshandlungen Hilfe von außen, beispielsweise in Form von aufmerksamen Erwachsenen. Das besonders Tragische im Falle von Misshandlungen ist oftmals die Tatsache, dass Kinder die Schuld für Misshandlungen bei sich selbst und nicht bei den Tätern suchen. Sie selbst gehen häufig davon aus, dass ihnen die angetane psychische oder körperliche Gewalt zu Recht widerfährt. Daher sind erwachsene Personen aus dem Umfeld des Kindes in der Pflicht, aufmerksam zu beobachten und aktiv zu werden, wenn sich der Verdacht auf eine Kindesmisshandlung manifestiert.

Sollte das Kind von sich aus von körperlicher oder psychischer Gewalt zu Hause erzählen, gilt es, aufmerksam zuzuhören, ohne dabei bohrende Fragen zu stellen. Diese würden das betroffene Kind verunsichern und zusätzlich einschüchtern. Spätestens, wenn Kinder über Misshandlungen zu Hause berichten, ist es an der Zeit, Fachleute von Jugendämtern, der Polizei oder Beratungsstellen einzuschalten. Dies kann notfalls auch anonym geschehen. Nicht nur das Kind wird von einer entsprechenden Meldung profitieren, sondern auch die meldende Person, denn immerhin kann sie nun die Verantwortung guten Gewissens in die Hände von Fachleuten legen. Erfolgt eine Mitteilung an die Polizei, gewährleistet dies professionelle Ermittlungen und Maßnahmen, die zum Schutz des Kindes notwendig sind. Daher wird die Polizei auch das zuständige Jugendamt informieren.

Wichtig: Zwar handelt es sich bei Kindesmisshandlung um ein „Offizialdelikt“. Dieses wird jedoch nur strafrechtlich verfolgt, sofern eine Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erfolgt.

Was kann der Staat unternehmen?

Der Gesetzgeber sieht sich im Falle von Kindesmisshandlungen mit einem schwierigen Thema konfrontiert. Auf der einen Seite soll die Familie als solche von Seiten des Staates in jedem Fall geschützt und Kinder nicht aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden. Auf der anderen Seite kann es der Gesetzgeber natürlich nicht dulden, wenn Kinder in ihrem Umfeld körperlich oder psychisch misshandelt werden. So scheint auch die Gesetzgebung in einigen Fällen widersprüchlich. Auf der einen Seite fasst der Gesetzgeber Kindesmisshandlung in jeglicher Form als Straftat auf – im Paragraph 225 des Strafgesetzbuches kann hierauf eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren erfolgen. Auf der anderen Seite gilt jedoch der Grundsatz „Hilfe statt Strafe“. Dieser wurde im Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung festgelegt:

„Ziel des Gesetzentwurfs ist die Ächtung der Gewalt in der Erziehung ohne Kriminalisierung der Familie. Nicht die Strafverfolgung oder der Entzug der elterlichen Sorge dürfen deshalb in Konfliktlagen im Vordergrund stehen, sondern Hilfen für die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Eltern.“

Kindesmisshandlungen geschehen häufig innerhalb der Familie. Während vor allem körperliche Gewalt gegenüber erwachsenen Personen in einer Familie von Seiten des Staates vergleichsweise streng sanktioniert wird, setzt der Gesetzgeber im Falle von Kindesmisshandlung eher auf Unterstützung der Familie als Ganzes. So wird versucht, nach den auslösenden Faktoren für die körperlichen oder psychischen Misshandlungen zu suchen und diese zu eliminieren, beispielsweise durch sogenannte Hilfen zur Erziehung. Diese verfolgen beispielsweise das Ziel, Überforderungssituationen zu lindern, die zum Ausbruch von körperlicher oder psychischer Gewalt gegenüber Kindern innerhalb der Familie führen können. Zwar kommt der Gesetzgeber damit seinem eigenen Anspruch nach, Familien in besonderem Umfang vor Einwirkungen von außen zu schützen, jedoch verhindert genau dieser Anspruch häufig schnelle und unbürokratische Hilfen für die betroffenen schutzbedürftigen Kinder.

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