Ist soviel Streit (noch) normal?

Mehr oder weniger scherzhaft wird die Pubertät auch gerne als Zeit beschrieben, in der die Eltern schwierig werden: jeden Tag Streit und Zoff. In diesem eher als humoristisch zu begreifenden Satz steckt jedoch mehr Wahrheit als man zunächst vielleicht glauben mag, denn für den Teenager in der Pubertät scheint es tatsächlich so, als seien die Eltern mit einem Mal strenger als gewohnt. Das bisher bequeme Miteinander scheint mächtig ins Bröckeln zu geraten und an Frieden statt Streit ist nicht zu denken. Doch keine Sorge: Dies muss kein Dauerzustand sein, wenn beide Seiten versuchen, den anderen zu verstehen. Dazu ist es von Seiten der Eltern natürlich wichtig, zu verstehen, was in der Pubertät passiert und wie sich das oftmals rebellische Verhalten des Nachwuchses und die Lust am Streit erklären lässt.

Was geschieht in der Pubertät?

Die Pubertät ist eine Phase im Leben eines jungen Menschen, die eng verbunden mit körperlichen und psychologischen Veränderungen und Reifeprozessen einhergeht. Allgemein lässt sich der Beginn der Pubertät bei Jungen mit dem Einsetzen des Stimmbruchs und bei Mädchen mit dem Einsetzen der Menstruation bestimmen. Dies bedeutet also, dass die Pubertät bei jungen Menschen im Alter zwischen etwa elf und 14 Jahren einsetzt.

Wie Forscher an der Universität Basel anhand des Schlafverhaltens von Heranwachsenden herausgefunden haben, dauert die Pubertät bei Jugendlichen etwa fünf bis sechs Jahre. Spätestens als junger Erwachsener ist die Pubertät damit beendet.

Typische Beispiele für Streit und Ärger in der Pubertät –
und Strategien für genervte Eltern von pubertierenden Teenagern

„Meine Eltern sind voll peinlich“. Dies ist ein typischer Gedanke oder ausgesprochener Satz von vielen pubertierenden jungen Menschen. Während Kinder ihre Eltern häufig glorifizieren, ändert sich dies während der Pubertät abrupt. Die einstigen Kinder merken mit Beginn der Jugendzeit, dass auch ihre Eltern Fehler und Macken haben. Dazu kommt, dass Kinder aufgrund ihrer Abhängigkeit von den Eltern bedingungslos an sie gebunden sind. Eltern sind für ein Kind die Hauptbezugspersonen. Diese Bindung löst sich im Laufe der Pubertät jedoch immer mehr auf. Aus unmündigen Kindern werden selbstbewusste junge Erwachsene, die ihren eigenen Lebensweg einschlagen möchten. Die Eltern sind keine Helden mehr für den pubertierenden Jugendlichen. Wenn sie aber dennoch weiterhin auf ihrem autoritären Status bestehen, ist Ärger vorprogrammiert und der Jugendliche wird rebellieren, wogegen die Eltern dann am Ende machtlos sind, denn je mehr sie ihre Autorität untermauern wollen, umso mehr wird sich der junge Erwachsene dagegen auflehnen. Zugleich verlieren Eltern ihren Status als Hauptbezugspersonen. Der Jugendliche wendet sich für tiefgreifendere Gespräche eher an Altersgenossen. Somit haben Eltern das Gefühl, dass ihnen ihr Kind mehr und mehr entgleitet.

Strategie für Eltern:

Während der Pubertät erleben viele Eltern das Gefühl von Liebes- und Kontrollverlust. Die beste Strategie dagegen ist es, diesen Verlust nicht persönlich zu nehmen, sondern als einen Baustein eines notwendigen Ablösungsprozesses zu begreifen.

Während der Pubertät wird der Hormonhaushalt des jungen Menschen kräftig durcheinandergewirbelt. Dies ist auch wichtig, denn schließlich soll irgendwann aus der ehemals kleinen Tochter eine erwachsene Frau werden und aus dem süßen Stammhalter ein erwachsener Mann. Dieses Durcheinander der Hormone ist während der Pubertät typisch, bringt jedoch häufige Stimmungsschwankungen mit sich. Diese Stimmungsschwankungen lassen sich jedoch nicht nur auf innere Ursachen, wie ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt, zurückführen, denn auch äußere Umstände sind hierfür verantwortlich. So sehen sich junge Menschen großen Entwicklungsaufgaben gegenüber. Im Laufe der Pubertät wachsen sie immer weiter aus der behüteten Familie heraus. Dies kann zu Verwirrung und auch Ängsten führen.

Strategie für Eltern:

Am besten nimmt man als Eltern die Stimmungsschwankungen und ihre Auswirkungen auf das eigene Gemüt nicht persönlich, sondern sieht den Grund in den erwähnten inneren und äußeren Ursachen, die schuld an den Stimmungsschwankungen sind. Ebenfalls hilfreich kann es sein, auf die schlechte Laune des Nachwuchses mal mit liebevollem Humor und offenen Fragen zu reagieren. Aber Achtung: Dies bedeutet nicht, den Jugendlichen übermäßig aufs Korn oder nicht ernstzunehmen. Auch wenn Eltern eine Vermutung haben, welche Laus dem Jugendlichen über die Leber gelaufen sein mag, ist es besser, diese Vermutung zunächst für sich zu behalten und den Jugendlichen ganz unvoreingenommen von seinen Problemen erzählen zu lassen. Wenn der Teenager jedoch nicht darüber reden möchte, hilft es nicht, weiter auf eine Antwort zu drängen. Es ist das gute Recht des Jugendlichen, über bestimmte Dinge eben nicht mit den Eltern reden zu wollen. Die – selbstverständlich – schwierige Herausforderung für Eltern ist es, dies zu akzeptieren und darauf zu warten, dass der Teenager den Eltern sein Herz doch noch irgendwann von sich aus ausschüttet.

Während jedes Wort aus dem Freundeskreis als gesetzt zu gelten scheint, haben Eltern kaum mehr etwas im Leben des Jugendlichen zu melden. Jeder gut gemeinte Ratschlag – Stichwort: „Das weiß ich aus eigener Erfahrung – prallt am wachsenden „Pubertätspanzer“ ab. Auch wenn die Ratschläge noch so sehr von Herzen kommen, so muss jeder Mensch im Leben seine eigenen Erfahrungen sammeln. Dies mag wie eine Binsenweisheit klingen, hat aber für beinahe jeden pubertierenden Jugendlichen Gültigkeit.

Häufig ist die Bindung zu den besten Freunden und vor allem zum ersten Partner so stark wie früher zu den Eltern. Dies ist es, dass diese Beziehungen auch derart besonders macht. Jugendliche erwarten von ihrem ersten Freund bzw. der ersten Freundin ähnliche bzw. dieselbe Zuneigung und Geborgenheit, die sie als Kinder von ihren Eltern erhalten haben. Dass dies einfach nicht möglich ist, müssen sie durch eigene Erfahrung merken. Solche Enttäuschungen zählen zum Reifeprozess.

Strategie für Eltern:

Weniger eine Strategie als vielmehr Aufgabe der Eltern ist es, pubertierenden Jugendlichen eine Rückzugsmöglichkeit von den Schwierigkeiten des Lebens zu bieten. Die Tränen der Enttäuschung trocknen am besten bei verständnisvollen Eltern, die nicht die Moralkeule schwingen à la „Ich hatte doch gleich gesagt, dass das nicht funktionieren wird“ oder „Ich habe es Dir doch gesagt, dass er oder sie nicht der richtige Partner für Dich ist.“

Teenager orientieren sich an ihren Altersgenossen und suchen sich in ihrer Clique Vorbilder. Es ist nicht mehr der Vater oder die Mutter, die als Idol verehrt wird – dies ist vollkommen normal und gehört mit zum bereits angesprochenen Ablösungsprozess des Kindes von seinen Eltern.

Wenn man als Eltern nun den Eindruck hat, dass das Kind einen falschen Umgang pflegt, dann ist es nicht hilfreich, den Freundeskreis des Nachwuchses pauschal zu verdammen. Viel sinnvoller ist es, bestimmte Verhaltensweisen der Clique kritisch anzusprechen. Dadurch vermeidet man eine Abwehrreaktion des Kindes, das seine „neue“ Familie natürlich schützen und verteidigen möchte. Die Kritik der Eltern sollte also nicht pauschal ausfallen. Beherzigt man dies, dann regt man den Teenager zum eigenen Reflektieren über das Verhalten seiner Freunde an und die Chance, dass sich der Nachwuchs von sich aus von bestimmten Personen distanziert, wächst. Ein Umgangsverbot – so gut und umsichtig es von den Eltern auch gemeint ist – hingegen wird unter Umständen lediglich dafür sorgen, dass der Reiz des Verbotenen siegt und sich der Teenager heimlich mit der Clique treffen wird, getreu der Devise „Jetzt erst recht“.

Strategie für Eltern:

Keine Sorge, die Zeit vor der Pubertät ist nicht aus dem Denken des Nachwuchses gelöscht, also alle Werte und Umgangsnormen, die man dem Sohn oder der Tochter über viele Jahre mühsam beigebracht hat – auch wenn dies in der heißen Phase der Pubertät nicht den Anschein haben mag. Eltern sind während dieser Zeit am besten sparsam mit pauschaler Kritik und versuchen stattdessen besser, den Teenie auf bestimmte Verhaltensweisen der Clique aufmerksam zu machen, sodass der Nachwuchs selbst zum Nachdenken darüber angeregt wird.

Sollte Sohn oder Tochter jedoch in kriminelle Gruppen abgleiten, spätestens dann sollten Eltern Rat und Unterstützung bei Erziehungsberatungsstellen suchen.

Früher oder später ist es auch beim Nachwuchs soweit: Die Hormone spielen verrückt und Schmetterlinge machen sich breit im Bauch von Tochter oder Sohnemann. Die erste große Liebe ist im Leben eines jeden Menschen etwas ganz Besonderes – auch für die Eltern des Teenagers. Auf einmal ist es nicht mehr der Vater, der Platz Eins im Herzen der Tochter belegt oder die treu liebsorgende Mutter, die ihre Felle in Sachen Verwöhnen und Versorgen beim Sohnemann davonschwimmen sieht.

Strategie für Eltern:

Am besten erinnern sich Eltern zurück an die Zeit, als sie selbst Teenager waren und die ersten großen Gefühle mit ihrer ersten Liebe entdeckt haben. Verlieben und Liebe bedeutet stets, sich auf ein Abenteuer einzulassen und Erfahrungen zu sammeln. Das ist für den Reifeprozess vom Kind zum Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen hin sehr bedeutsam.

Wenn Eltern dies berücksichtigen, bleiben sie für den Jugendlichen auch weiterhin ein wertvoller und geschätzter Gesprächspartner auf Augenhöhe  – auch in Liebesfragen.

Und wenn es doch mal kracht: Die Streitqualität ist entscheidend

Auch wenn Eltern darüber stöhnen: Streit in der Pubertät ist nicht nur völlig normal, sondern auch wichtig für eine starke Persönlichkeit des Teenagers. US-amerikanische Studien konnten belegen, dass Streit mit den Eltern während der Pubertät positiv auf verschiedene Facetten der heranwachsenden Persönlichkeit auswirken, beispielsweise in Sachen Meinungsbildung oder dem Vertreten des eigenen Standpunktes in Auseinandersetzungen und Diskussionen. Laut der Studie führt Streit mit den Eltern auch dazu, dass Jugendliche weniger anfällig für negative Einflüsse, wie etwa Alkohol, Zigaretten oder Drogen sind. Bei allem Motzen über Regeln der Eltern ist jedoch die Streitqualität wichtig. Dauerhaftes Nörgeln und Quengeln nervt beide Seiten. Viel konstruktiver sind Streitgespräche, in denen die Teenager ihre Eltern mit sachlichen Argumenten von ihrer Meinung überzeugen möchten.

Tipp zum Schluss:

Bitte bei allem Ärger über das rebellische Verhalten des Teenagers nicht vergessen, dass die Pubertät letztlich auch für ihn eine der schwierigsten Phasen seines Lebens bedeutet. Manche Dinge dürfen Eltern auch einfach mit einem Augenzwinkern hinnehmen, ohne sich persönlich vom Verhalten des Nachwuchses angegriffen zu fühlen.

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